Corona, die Zweite?

Auch Israel wurde von Covid-19 nicht verschont, noch kürzlich sah es aus, als wäre das Virus dort überwunden. Allerdings kam die schrittweise Öffnung des Alltags zu früh, nun sieht sich Israel mit der zweiten Welle konfrontiert.

Noch ist im Moment nicht absehbar, in welchem Ausmaß die zweite Welle die Region erfaßt und wie sie sich auch auf die palästinensischen Gebiete auswirken wird.

Eine Analyse von Alexandra Rojkov für Spiegel Online.

 

 

Visualisierung von Identität

Seit dem Beginn des modernen Israel-Palästina Konflikts spielte die religiöse Ikonographie, vor allem die Jerusalems, eine immanente Rolle im politischen Kampf und der Visualisierung der Idenitäten.

Obwohl der Staatsgründer Ben-Gurion wenig Interesse an der Stadt und seiner religiösen Dichte hatte, stellt sie heute den definitiven Brennpunkt des Konflikts sowie der nationalen Bestrebungen dies- und jenseits der Grünen Linie dar. Wiederum in dessen Zentrum steht der Tempelberg/Harm ash-Sharif, Objekt des Streits, der Hingabe und Identität.

Im Auftrag der Rosa Luxemburg Stiftung Tel Aviv hat Hillel Ben Sasson ein lesenswertes Dossier zu Geschichte und Bedeutung des Tempelbergs sowie zu aktuellen politischen Entwicklungen zusammen gestellt.

 

Ideologie oder Appeasement?

Annexion und die unabsehbaren Folgen

Früher galt die Ratio, Israels Weg zum Frieden führe über Palästina. Die letzten Jahre allerdings haben die Welt vom Gegenteil überzeugen wollen. Allen voran Saudi-Arabien und Katar sowie die vorsichtigen Annäherungen der irakischen Regierung schienen in keinem Verhältnis zur Situation in Gaza und dem Westjordanland zu stehen.

Die Annexion, das lang gehegte Ziel Netanyahus, ist nun genau das Gegenteil diplomatischer Feinfühligkeit und weckt in der arabischen Welt ebenfalls lang gehegte, alte Solidaritäten, wenn auch nur verbal. Das Kabinett Netanyahu/Gantz läuft Gefahr, Vorteile und Pfründe zu verspielen. Auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung und seiner gerade erst im Entstehen begriffenen diplomatischen Beziehungen zu ehemaligen Feinden.

Netanyahu katapultiert Israel damit in eine unmögliche Lage. Zum Einen verhärtet es die Fronten im eigenen Land, zum Anderen weiten sich wieder die Gräben zu den arabischen Nachbarn. Die Kosten der Annexion sind ebenso wenig abzusehen wie die Intensität, mit welcher darauf reagiert werden könnte.

Zur weiteren Beschäftigung mit diesen Fragen, hier der Hinweis auf einen lesenswerten Beitrag von Inga Rogg in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) (Anmeldung auf NZZ.ch erforderlich)

 

Ein Bündnis gegen Annektion

Zehn US-amerikanische, jüdische Organisationen aus dem progressiven Spektrum („Progressive Israel Network“)

Ameinu
Americans for Peace Now
J Street
The New Israel Fund
T’ruah
Hashomer Hatzair World Movement
Partners for Progressive Israel
Jewish Labor Committee
Habonim Dror North America
Reconstructing Judaism

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haben sich in einem Brief  an „Alternate Prime Minister Benny Gantz and Foreign Minister Gabi Ashkenazi“ gewandt und sich gegen die einseitigen Annektionspläne gewandt.

Hier der Text in der englischen Fassung:

As leaders of American Jewish organizations committed both to the security of the State of Israel and to safeguarding its future as a democracy, we urge you to consider the costs of any unilateral annexations in the West Bank and do everything in your power as a minister in this government to thwart it.

Article 29 of the coalition agreement you signed with Likud, chaired by Prime Minister Benjamin Netanyahu, establishes July 1 as the start date for discussion of an annexation proposal by the government or Knesset. We believe that unilateral annexation poses grave risks to Israel’s future as a democracy and to its security in the region.

Annexation of any scope is a violation of a core principle of international law, which prohibits the acquisition of territory by the use of force. Knowingly committing an illegal act under international law may risk incurring penalties from other UN member states and international bodies.

Furthermore, unilateral annexation is not only a violation of international law, but of Israel’s own treaty commitments. It risks jeopardizing Israel’s vital relationships with allied states and the stability of the Palestinian Authority, which has been key element of Israel’s security. Jordan’s King Abdullah II has warned of a “massive conflict” if Israel proceeds along the path of annexation. We trust you are aware of the warnings from Israel’s own military and intelligence communities who have warned of the likely ramifications: annexation poses mainly risks, without any strategic benefit to Israel.

Significantly, formalizing Israel’s control over occupied territories through unilateral annexation forecloses on hopes for peace and poses a terminal threat to Israel’s democratic character. A situation in which Israel maintains permanent control of the West Bank while denying wholesale equal rights of citizenship to Palestinians has disturbing modern parallels. Indeed, annexation means enacting institutionalized, formal system of discrimination between two ethnic-national populations, both living in the same territory, with each governed by a separate set of laws.

We are concerned that this will lead to further violations of the rights to property, equality and dignity of the Palestinians living in the West Bank, and entrench a system of discrimination between Israeli citizens and Palestian subjects, as Israel’s High Court found in its most recent ruling on the “Regularization Law.”

Annexation will surely not bring Israel toward peace, but instead take it down a path of endless conflict and permanent occupation.

Finally, this grave decision to abandon the State of Israel’s democratic aspirations runs altogether counter to the shared democratic values and commitment to the pursuit of peace that have long formed the heart of the US-Israel relationship. Indeed, Speaker of the House Nancy Pelosi has warned that this move runs counter to the long-term interests and likely future policy of the United States.

The vast majority of American Jews support a two-state solution to the Israeli-Palestinian conflict. Our organizations represent this majority. Achieving an end to the Israeli-Palestinian conflict and the occupation through a negotiated two-state agreement is the only viable pathway to secure Israel’s future as a democracy and as a homeland for the Jewish people.

For the sake of the State of Israel’s democracy, its global standing, and its relationships with the United States and with the American Jewish community, we urge you to do everything within your power as a minister in this government to prevent annexation.

Sincerely,

Ameinu
Americans for Peace Now
J Street
The New Israel Fund
T’ruah
Hashomer Hatzair World Movement
Partners for Progressive Israel
Jewish Labor Committee
Habonim Dror North America
Reconstructing Judaism

Ein falsches Urteil

Auch einem Gericht muß widersprochen werden…

Der diAk – Israel | Palästina | Deutschland – zusammen denken, wendet sich gegen das Urteil des Berliner Kammergerichts, die Unterlassungsklage des Münchener Historikers und Publizisten Dr. Reiner Bernstein zurückzuweisen.

Bernstein setzt sich seit Jahrzehnten gegen Antisemitismus und Rassismus und für die universelle Bedeutung der Menschenrechte ein. Er gehörte in München zu den Initiatoren der Aktion Stolpersteine, war Mitbegründer des diAk. Er war die hiesige Stimme der israelisch-palästinensischen Genfer Initiative für eine Friedensregelung auf der Basis der Zwei-Staaten-Lösung. Wegen seines Eintretens für Verhandlungen mit den Palästinensern, einem gerechten Frieden im Nahen Osten und einer kritischen Haltung gegenüber der israelischen Besatzung und der Siedlungspolitik, wird er von den Befürwortern dieser Politik als Antisemit verunglimpft.

Bernstein konnte sich im August 2018 vor dem Landgericht Stuttgart gegen den Vorwurf des Antisemitismus durch die dortige Deutsch-Israelische Gesellschaft erfolgreich zur Wehr setzen. Vor dem Kammergericht Berlin ist ihm dies jetzt nicht gelungen. 2019 wehrte Bernstein sich dort erneut gerichtlich gegen eine Veröffentlichung des Autors Arye Ruz Shalicar, Der neu-deutsche Antisemit des Hentrich & Hentrich Verlages, in dem er des Antisemitismus bezichtigt wird.

Bernstein, selbst kein Jude, wird darin als ‚Alibi-Jude‘ und als ein selbsthassender Jude mit antisemitischer Sichtweise bezeichnet. Seine Klage lautete auf Streichung dieser Behauptung wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Das Urteil vom 19. Mai 2020 weist die Klage zurück mit der Begründung, es sei auch ohne Tatsachenbeweise zulässig, ihn als Judenhasser zu bezeichnen und ihm eine antisemitische Sichtweise zuzuschreiben.

Dieses ‚Schandurteil‘, so Micha Brumlik, dehnt das Recht auf freie Meinungsäußerung inflationär aus und öffnet verleumderischen Äußerungen Tür und Tor. Mit der Einschätzung, diese Beleidigungen seien keine dem Beweis zugänglichen Tatsachenbehauptungen, wird jegliche rational begründete Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus desavouiert.

Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Einschränkungen der Meinungsfreiheit wegen des Vorwurfs antisemitischer und wirtschaftlicher Diskriminierung am 11. Juni dieses Jahres  gerügt hat, halten deutsche Gerichte und politische Instanzen daran fest, Kritik an völkerrechtswidrigen Praktiken der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten ins demokratische Abseits zu stellen.

Im August vorigen Jahres haben mehr als 120 deutsche und israelische Engagierte aus Wissenschaft und politischer Bildung, aus Publizistik und Kirchen Reiner Bernstein ihre Solidarität erklärt, unter ihnen der israelische Historiker Moshe Zimmermann, die Kölner Jiddistik-Professorin Efrat Gal-Ed und der frühere Präses der Rheinischen Kirche und Vorsitzende der EKD Manfred Kock.

Mit ihnen treten wir weiterhin dafür ein, daß die notwendige Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in geschichtsbewußter Verantwortlichkeit geschieht, ohne die einseitigen Interpretationen israelischer Regierungsvertreter zum Maßstab des Denkens und Handelns zu nehmen.

Rechts(system) und Annektion

Die Auseinandersetzung um die Frage der „Souveranität“ über die Westbank wird in Israel auch juristisch geführt, trotzdem es sich im Kern sicher um eine politische AdalahAuseinandersetzung handelt.
Ein Teil der Debatte dreht sich um die Frage des privaten Landbesitzes von Palästinensern und Palästinenserinnen.

Adalah, das „Legal Center for Arab Minority Rights in Irael“ berichtet aktuell über eine Entscheidung des Obersten Israelischen Gerichtshof und analysiert die möglichen Folgen:

Israeli Supreme Court struck down Israel’s Settlements Regularization Law

An Israeli law let the state retroactively „legalize“ settlements built on private Palestinian lands in the West Bank. Adalah petitioned against the law – and the Supreme Court struck it down.

Brief an Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen

[Wir dokumentieren in der Übersetzung / Fassung der Inititiatorinnen]

Wir schreiben Ihnen im Namen von Organisationen, die gegen die Besatzung, und im Namen der Bewegung der Verweigerer, die in Israel kämpfen, und im Namen von Tausenden von Palästinensern, die von Deportation und Enteignung von ihrem Land bedroht sind.

Ihr Besuch in Israel einige Wochen von der israelischen Regierung angekündigten Frist für die Ankündigung einer einseitigen Annexion palästinensischen Landes jenseits der Grünen Linie, die einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht und die Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen darstellt, lässt uns hoffen, dass es in der Macht der Welt liegt, diesen pyromanischen Vorgang zu stoppen.

In den Nürnberger Prozessen wurde die unrechtmäßige Annexion von Österreich durch Deutschland, der Anschluß , als das erste internationale Kriegsverbrechen des NS-Regimes erkannt, das wiederum zum Zweiten Weltkrieg, zum Holocaust und zu den vielen weiteren Kriegsverbrechen führte, die darauf folgten.

Die Bundesrepublik Gründer auf der Verbundenheit und dem Respekt vor internationalem Recht, der internationalen Gemeinschaft und dem Frieden zwischen den Nationen. Diese Verbundenheit wird hier auf die Probe gestellt, wenn die Annexion der Nachbarn umgesetzt werden sollten.

Auch heute stehen wir am Rande einer Annexion, die den Diebstahl des Landes eines Volkes beinhaltet, wodurch der Nahe Osten und die ganze Welt zu und könnte schlimmsten Falls zu einem schrecklichen Krieg führen.

Die israelische Regierung möchte die Annexion rechtfertigen, indem sie sie durch eine Knesset-Mehrheit ratifiziert, aber dies ist dasselbe Parlament, in dem die Tausenden Palästinenser, die in dem annektierten Land leben, kein Stimmrecht haben, und es besteht auch nicht die Absicht, ihnen ein solches Recht oder andere grundlegende Bürgerrechte zu gewähren, auch nicht zukünftig.

Ein solches Regierungsregime kann nicht anders als Apartheid definiert werden.

Als Organisationen und Aktivisten gegen die Besatzung haben wir seit vielen Jahren die Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern initiiert.

Wir weigerten uns, in die israelische Armee einzutreten, die ein anderes Volk unterdrückt, und wir haben dafür gesorgt, dass die Flamme des Kampfes für den Frieden weiter brennt.

Die Annexion ist ein Punkt ohne Wiederkehr in der Fähigkeit, einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeizuführen – und der Widerstand gegen die Annexion muss zum Ausdruck gebracht werden, nicht nur in indirekter Weise – Widerstehen Sie laut und deutlich gegen die Annexion Die Zeit Position zu beziehen wird immer knapper.

Wir bitten Sie, Herr Mass, und die deutsche Regierung, in Ihrer Rolle in der Europäischen Union und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit deutlicher und lauter Stimme gegen die Annexion zu opponieren, und ergreifen Sie die vollen Sanktionen und Maßnahmen des Völkerrechts, um ihre Umsetzung zu verhindern.

Tair Kaminer, conscientious objector, Mesarvot

Prof. David Harel,
Joint Democratic Initiative, Vice President Israel Academy of Sciences and Humanities, Fellow of the Royal Society

Dr. Ishai Menuchin, Yesh Gvul Movement

Tuli Flint, Israeli GC, Combatants for Peace

Jamil Qassas, Palestinian GC, Combatants for Peace

Adam Keller, Gush Shalom

Dana Yair, GC, Coalition of Women for Peace

Die Fassung in Hebräisch, Arabisch, Deutsch und Englisch läßt sich hier herunterladen:
Letter to Heiko Maas_Palestinian and Israeli Activists and Organizations_2020_06_11

(K)ein Widerspruch …?

Einmal mehr bietet das in New York publizierte Online-Magazin Forward – 1897 als jiddischsprachige Tageszeitung gegründet – einen lesenswerten Beitrag – ein Blick in die Geschichte – Mandatspalästina 1934:

„There is no place in Antifa for those who are an enemy of Jewish workers or Jewish immigration and settlement in the land (of Israel). There is no place in Antifa for those who are an enemy of Arab workers and their advancement in this land.

Der ganze Artikel von Jordan Kutzik findet sich hier.

Kalender Juni 2020

Juni

Photographische Erinnerungen 2020 – israel & palästina
                                                                                        Photographien von Felix Koltermann

Begleiter durch das Jahr 2020

Zum fünften Mal erscheint in israel & palästina | Zeitschrift für Dialog ein Bildbegleiter für das ganze Jahr. 2016 haben wir auf Andere Visionen geschaut. 2017 Erfahrungen aus der Arbeit der Combatants for Peace zum Thema genommen, 2018 waren es Visual Correspondences, zweier junger Frauen, 2019 waren alte Postkarten als Träger für die
unterschiedlichen Narrationen zu sehen.

Für das Jahr 2020 lädt uns der Photograph und Kommunikationswissenschaftler Felix Koltermann ein, in den Landschaften Israels und Palästinas ‚zu lesen‘ und über deren Bedeutung in der Vergangenheit wie der Gegenwart zu nachzudenken.
Die hier gezeigten Bilder sind bei verschiedenen längeren Aufenthalten in der Region zwischen 2006 und 2015 entstanden.

Ein paar wenige Exemplare des Kalenders sind beim Verlag noch erhältlich.