Nahost kann jederzeit eskalieren

so die Meinung von Khaled Elgindy, Direktor des Palästina-Programms am Washingtoner Middle East Institute, im Interview mit Andrea Backhaus für Qantara. Und weiter:

„Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Menschen in Gaza die Hamas liebt, weder ihre Ideologie noch ihre Handlungen. Die Hamas-Führer agieren nicht gerade demokratisch, sie wahren die Menschenrechte nicht und sind auch nicht gut im Regieren. Aber die Menschen sind gefangen, sie brauchen die Hamas. Israel kontrolliert den Gazastreifen vom Meer, Land und der Luft aus.

Die Hamas ist die einzige Instanz, die Dienstleistungen für die Menschen bereitstellt und zumindest manchmal durchsetzen kann, dass die Grenzübergänge geöffnet werden und Waren in den Gazastreifen gebracht werden. Vor allem aber profitiert die Hamas vom Versagen der Autonomiebehörde unter Abbas.“

Zum Gedenken an Stanisław Lem

Der polnische Schriftsteller wurde vor 100 Jahren, am 12. September 1921, geboren

„Ich hab Hitler gebraucht, um draufzukommen, daß ich jüdisch bin.“

Zum 100. Geburtstag des 2006 verstorbenen polnischen Schriftstellers, Philosophen, Wissenschaftlers und Literaten Stanisław Lem kündigt das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt einen neuen Sammelband zum breiten Schaffen des international bekannten „Weltverbesserers“ (Holger Teschke in der Jungen Welt, 8. September 2021, S. 12-13) und Überlebenden der Shoa an: „Kosmos Stanisław Lem. Zivilisationspoetik, Wissenschaftsanalytik und Kulturphilosophie“ (2021).

S. Lems (1921-2006) Grabstätte auf dem Salwator-Friedhof in Krakau
Photo: Gapcior – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11108254

Lem, studierter Mediziner, hat mit seinen technikinforeichen, phantasievollen Romanen und fiktiven, mit Hypothesen gespickten Geschichten begeistert und nicht nur zum Knobeln, sondern vor allem zum Nachdenken über so manches Fragezeichen und Plausibilität und Logik nachhaltig angeregt. Der Roman vom Schweigenden Stern wurde 1959 von DEFA und Filmstudio Wroclaw verfilmt; damit begründete Lem seinen Ruf als Autor im Science-Fiction-Feld; Solaris von 1961 „sprengte gedanklich und sprachlich die Grenzen aller bisher geschriebenen Science-Fiction“, schreibt Teschke.

Doch Lems schriftstellerisches und akademisches Schaffen ist viel, viel breiter und so aktuell wie vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren. Bereits „Sechs Jahre vor dem deutschen ‚Historikerstreit‘ fragt er jenseits der in der sozialistischen Geschichtsschreibung allem vorgelagerten ökonomischen und politischen Begründungen nach tieferliegenden sozialen und psychologischen Wurzeln des Völkermords an den Juden Europas“, schreibt Teschke in seinem JW-Artikel über Lem und zitiert dort den Autor aus einem Zeit-Interview von 2005: „Die ständige Steigerung der technologischen Möglichkeiten geht paradoxerweise mit einem Verfall von Phantasie und Intelligenz der Menschen einher… Heute nennt man auch schon Thermostate intelligent oder Küchenmaschinen. Aber dann sind auch meine Hosenträger intelligent in dem Sinne, daß man sie nämlich regulieren kann. Alles ist heute intelligent.“

Im Beitrag auf DLF Kultur vom 4. September 2021 erinnern die beiden Autoren Markus Metz und Georg Seeßlen an Stanisław Lem und zitieren aus dessen 1990 veröffentlichter Schrift Die Vergangenheit der Zukunft, in der Lem Thesen dazu äußert, „was uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts erwartet“, so unter anderem:

„Es wird nicht nur eine ‚postindustrielle Gesellschaft‘ entstehen und nicht nur eine Dienstleistungs- gesellschaft, sondern eine qualitativ neue, die ihre größten Probleme mit den Errungenschaften der Biotechnologie haben wird.
Zu beachten ist, daß Deutschland, bisher im Westen die Bundesrepublik, sich für einen friedliebenden Staat ausgibt, was auch nicht bezweifelt werden soll, gleichzeitig aber gibt es auf dem Territorium dieses Staates Hunderte Produktionsanlagen, die Raketen, Giftgase, Kanonen, Unterseeboote herstellen, ganze Fabriken von todbringenden Mitteln und last but not least Maschinenteile und Know-How, die zum Bau von Anlagen dienen, welche Atombomben oder andere Kernspaltungswaffen produzieren können.
Das Automobil wird in vielen Ländern in peinigenden Staus seinen technischen Tod erleiden. Es wird neue Kommunikationsmittel und neue Betriebsformen geben. Das elektrische Auto ist kein Ausweg aus dem Dilemma der Verkehrsstaus, genauso wenig wie ein lokal betriebener Luftverkehr (nur naive Menschen stellen sich vor, jeder Bürger könnte seinen Hubschrauber haben wie heute seinen Wagen). Es wird künstliches Leben und synthetische Bioprodukte geben. Insgesamt aber wird sich die Kluft zwischen den Armen und den Reichen weiter vergrößern.“

Junge Welt Artikel, verfügbar ab 10. September (für drei Monate)

Deutsches Polen Institut zu Lem

Deutschlandfunk Kultur

Kalender September 2021

Zum sechsten Mal erschien in israel & palästina | Zeitschrift für Dialog ein Bildbegleiter für das ganze Jahr. 2016 haben wir auf Andere Visionen geschaut. 2017 Erfahrungen aus der Arbeit der Combatants for Peace zum Thema genommen, 2018 waren es Visual Correspondences, zweier junger Frauen, 2019 waren alte Postkarten als Träger für die unterschiedlichen Narrationen zu sehen. 2020 haben uns Photographien von Felix Koltermann durch die realen und imaginierten Landschaften begleitet.

2021 begleiten Gedichte – jeweils in arabisch, deutsch und hebräisch – uns als Dreiklang durch das Jahr, zusammen mit Photos von Andreas Schröder zu jedem Monat. Beim AphorismA Verlag sind noch ein paar letzte Exemplare verfügbar.

Der September wird begleitet vom Psalm 87 – Zion, Mutter ALLER Völker

Universität Bern – einmal anders auf Geschichte schauen

Auch wenn der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser:innen kein religiöser Konflikt ist, spielt Religion und spielen religiöse Akteur:innen (zunehmend?) eine Rolle. Einen interessanten Blick auf die Frage „How to cope with Religious Conflicts? Insights from History (flashMOOC)“ wirft die Berner Professorin Katharina Heyden, seit 2018 Director of the Interfaculty Research Cooperation „Religious Conflicts and Coping Strategies“ at the University of Bern, in einem einführenden Video zu dieser Frage. Eines der Beispiele ist ein Blick in der Geschichte von Mamre (Hebron / al Khalil – ab min 10:58), der erhellende Einblicke vermittelt.

The interactive video is divided into the following chapters:
Model for Context-Sensitive Analysis of Conflicts with Religious Dimensions
Methodological Remarks: Working with Historical Sources
Three Historical Case Studies
a. Swiss Religious Wars in the 16th century and the Kappeler Milk-Soup
b. The universalism of the medieval philosopher Ramon Lull
c. Interreligious hospitality at Abrahams Shrine in Late Antique Mamre
Conclusio

Republik Haifa

Im vergangenen Jahr legte der israelische Philosoph und an der New School For Social Research lehrende Professor Omri Boehm in „Israel – eine Utopie“ sein Modell eines gemeinsamen politischen Systems von Israelis und Palästinensern vor, und zwar zuerst in deutscher Sprache in Deutschland. In Interviews erklärte er seinerzeit seine „Utopie“ und die Notwendigkeit, eine Regelung jenseits der längst nicht mehr offenen zwei-Staaten-Option zu suchen.

Nun erschien Boehms Buch in englischer Sprache unter dem Titel “Haifa Republic: A Democratic Future for Israel” in den USA und wird in der Tageszeitung Haaretz rezipiert. Und wieder zeigt sich: ein enorm wichtiges Buch zur rechten Zeit.

In Haaretz (Premiumausgabe) schreibt Abe Silberstein über das Buch:

„The book is an effort to reconcile Zionism with the diminishing prospects of a two-state solution. For decades, the Zionist left in Israel and its supporters in the Jewish Diaspora focused on the two-state solution as the only way to preserve Israel as a Jewish and democratic state. Israel’s current government, however, has no intention to advance that solution, as Foreign Minister Yair Lapid recently reminded the European Union’s foreign ministers.“

Boehm’s vision 
So what specifically does he propose? First, Boehm seeks to maintain the territorial unity of historic Israel/Palestine; all Israelis and Palestinians will enjoy freedom of movement, residence and work across the entire territory – a single federation in which two non-sovereign states operate along the pre-1967 lines so that each people can enjoy “cultural and national self-determination.”

Hier noch einmal ein Link zu einem längeren Gespräch mit Omri Boehm.

Musik aus Gaza

Ein Filmbeitrag über die Arbeit des Edward Said National Conservatory of Music.

Das ESNCM was established in the occupied West Bank city of Ramallah in 1993, and later opened branches in Nablus, Bethlehem and Hebron, as well as Gaza City.

Der Bericht zum Beitrag auf der Seite von EI.

Weibliche Vorbilder in den Abrahamitischen Religionen

Auf Youtube zu sehen und zu hören: Veranstaltung in der Stephanuskirche über weibliche Vorbilder in den jeweiligen religiösen Traditionen.

Am 26. August 2021 diskutierten die islamische Theologin Nada Bsaiso, die evangelische Pfarrerin Josephine Furian von der Flüchtlingskirche, Angelica Hilsebein vom katholischen Erzbistum Berlin und Reinhard Liam Rickertsen von der jüdischen Reformgemeinde Sukkat Schalom. Rebea Malik vom Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB), das unter anderem eine sunnitische Moschee betreibt, moderierte das Gespräch.

Noch einmal: Von oben…

Alon Shtamberger (See his Instagram presence) began drone photography by chance and has been capturing scenery from heightened angles ever since.

Ein Bericht von Naama Barak auf der Seite von ISRAEL21c, einige der Motive lassen sich zwar nicht eindeutig als Israel (innerhalb der grünen Linie) feststellen, auch wenn der Titel das sagt, aber die Motive sind auch mit diesen Gedanken im Hintergrund spannend zu sehen.

The Latrun Monastery overlooks gardens, fields and the busy Route 3 in the Ayalon Valley. (C) Alon Shtamberger – siehe die angegebene Quelle: https://www.israel21c.org

Hier noch einmal der Hinweis auf Einfach mal von oben vom 29. Juli 2021 – Bilder von Roni Kiperman.