Außenansicht. Eine letzte Chance

Die israelische und die palästinensische Zivilgesellschaft müssen Verantwortung übernehmen

Von Reiner Bernstein (SZ, 27. April 2017)

Nach langem Zögern scheint die Bundesregierung den israelisch-palästinensischen Konflikt wieder zu einem europäischen Thema machen zu wollen. Dass Sigmar Gabriel bei seinem Besuch in Israel darauf beharrte, Friedensaktivisten aus der bürgerlichen Mitte zu treffen, unterstreicht, dass Berlin nicht mehr auf die politische Kraft des Dialogs mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt. Indem Staatspräsident Reuven Rivlin, strikter Gegner eines souveränen Staates Palästina, den deutschen Außenminister empfangen hat, belegt zumindest jenen Realitätssinn, die der Achtung der rechtsstaatlichen Prinzipien für alle Einwohner zwischen Mittelmeer und Jordan
gelten soll.

Mit dem Auftreten Gabriels dürfte der klassische Nahostkonflikt auf die Tagesordnung der internationalen Diplomatie zurückgekehrt sein, nachdem – während sich die Weltöffentlichkeit mit Mord und Terror in Syrien und im Irak befasste – die israelische Regierung in der Westbank sowie im einstigen arabischen Osten Jerusalems vollendete
Tatsachen schaffen wollte. Dieser politisch und demografisch zweischneidige Erfolg war darauf zurückzuführen, dass der internationalen Forderung nach der Zweistaatenlösung ein plausibles Programm zu ihrer Durchsetzung fehlte.

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B’Tselem, Israel und die Vereinten Nationen

Am 6. Oktober 2016 nahm der Vorsitzende der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem (Hebr.: ‚Im Angesicht‘), Hagai El-Ad, an einer Anhörung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York zum Thema „Illegale Siedlungen: Hindernisse für den Frieden und die Zwei-Staaten-Lösung“ teil und sprach sich vehement gegen die fast 50 Jahre währende israelische Okkupation und die anhaltende Siedlungspolitik aus. In seiner Rede erinnerte er daran, daß Israel aufgrund des historischen VN-Teilungsbeschlusses über Palästina 1947 entstanden sei, die Welt jedoch über Jahrzehnte die Okkupation eines anderen Volkes erlaubt habe.
„Millionen Israelis und Palästinenser kennen keine andere Realität. Wir benötigen Ihre Hilfe. …  Die Rechte der Palästinenser müssen verwirklicht werden; die Okkupation muß beendet werden; der UN-Sicherheitsrat muß handeln; und es ist jetzt an der Zeit dafür.“
El-Ad wurde nach seiner Rede vielfach in der israelischen Presse und durch konservative Politiker angegriffen; Ministerpräsidenten Netanjahu drohte am 15.10., der Organisation werde es künftig verwehrt, Ersatzdienstleistende zu beschäftigen. In einem Haaretz-Artikel legte der Menschenrechtsaktivist am 16. Oktober dar, warum er sich in der Vereinten Nationen gegen die Okkupation ausgesprochen habe.

 

Es folgt ein Auszug der englischen Rede von Hagai El-Had, die transkribiert vorliegt. Die vollständige Rede findet sich auf den Seiten des 972Mag.

Members of the Security Council,

Ladies and Gentlemen,

Before I begin, I would like to express my deep thanks for this unique opportunity of speaking at this distinguished forum and engaging with the members of the UN Security Council.

What I’m about to say is not meant to shock you. It is, however, meant to move you.

For the past 49 years – and counting – the injustice known as the occupation of Palestine, and Israeli control of Palestinian lives in Gaza, the West Bank, and East Jerusalem, has become part of the international order. The first half-century of this reality will soon be over. On behalf of B’Tselem, the Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, I implore you today to take action. Anything short of decisive international action will achieve nothing but ushering in the second half of the first century of the occupation.

Ladies and Gentlemen,

What does it mean, in practical terms, to spend 49 years, a lifetime, under military rule? When violence breaks out, or when particular incidents attract global attention, you get a glimpse into certain aspects of life under occupation. But what about the rest of the time? What about the many “ordinary” days of a 17,898-day-long occupation, which is still going strong? Living under military rule mostly means invisible, bureaucratic, daily, violence. It means living under an endless permit regime, which controls Palestinian life from cradle to grave: Israel controls the population registry; Israel controls work permits; Israel controls who can travel abroad – and who cannot; Israel controls who can visit from abroad – and who cannot; in some villages, Israel maintains lists of who can visit the village, or who is allowed to farm which fields. Permits can sometimes be denied; permits must always be renewed. Thus with every breath they take, Palestinians breathe in occupation. Make a wrong move, and you can lose your freedom of movement, your livelihood, or even the opportunity to marry and build a family with your beloved.

Meanwhile, ever present, are the settlements and the settlers. They are Israeli citizens living, ostensibly, in a first-world democracy, that somehow exists only for them, beyond the borders of their country. This ever-expanding venture, its illegality notwithstanding, is to be found everywhere throughout the West Bank and East Jerusalem. Settlements encompass the built-up areas as well as the generous allocations of land around them, meant for future expansion or “special security zones”; they mean checkpoints for Palestinians, and bypass roads for settlers; they mean the Separation Barrier; and finally, they mean the fragmentation of Palestine into hundreds of isolated communities, floating – or rather I should say, slowly sinking – in a sea of Israeli domination. Who could possibly deserve to endure such conditions for half a century?

Westfälischer Friedenspreis: jordanischer König Abdullah II. geehrt

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Jordaniens König Abdullah II. ist für seine Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben im Nahen Osten mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens in Münster geehrt worden.

 

Bundespräsident Joachim Gauck hat den jordanischen König Abdullah II ibn Al Hussein in Münster für die friedensstiftende Vermittlung bei verschiedenen Konflikten in Nahost mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens ausgezeichnet. Das jordanische Staatsoberhaupt teilt sich den Preis mit jugendlichen Freiwilligen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, die vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, für ihr herausragendes Engagement gegen Rassismus und Intoleranz geehrt wurden. Die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe (WWL) vergab den mit 100.000 Euro dotierten Preis in diesem Jahr zum zehnten Mal.

Quelle: http://www.wirtschaftliche-gesellschaft.de/?id=261

Auch erwähnte Abdullah II. in seiner Rede die Preisträger der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF). Die Laudatio für ASF hielt SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann:

Gegen das Verdrängen und Vergessen kämpften die Gründer von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. (…) ASF begreift Geschichte als Verpflichtung für ihr Handeln in der Gegenwart.wa

Mehr Informationen:

http://www.sueddeutsche.de/news/leben/auszeichnungen-jordanischer-koenig-mit-westfaelischem-friedenspreis-geehrt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161007-99-734492

https://www.asf-ev.de/de/presse/pressemeldung/asf-erhaelt-den-westfaelischen-friedenspreis/

Foto:© http://www.wirtschaftliche-gesellschaft.de