Am Abend des 30. Oktober

Ein Brief aus der School for Peace von Neve Shalom-Wahat as-Salam


Liebe Freundinnen und Freunde,

wir befinden uns in traumatischen Zeiten eines eskalierenden Krieges. Wir alle in der SfP sind in einem Schockzustand und tiefem Kummer angesichts der unfassbaren Grausamkeiten vonseiten der Hamas, und angesichts der tödlichen und von Rache getriebenen Reaktion Israels im Gazastreifen. Inzwischen dient der Krieg überdies als Rechtfertigung für willkürliche weitere Grausamkeiten: Palästinensisch-arabische Israelis werden mehr denn je zuvor massiv mundtot gemacht und verfolgt, und in der Westbank gehen jüdische Siedler zunehmend – von der Armee unterstützt – gegen die palästinensische Bevölkerung vor. Dieser bösartige Teufelskreis von Gewalt, Terror und Vergeltung zerrt an unseren Seelen.

Angesichts dieses Stresses und der Ungewissheit zu verstummen und abzuwarten wäre durchaus natürlich. Doch zu sprechen bedeutet zugleich zu denken, und besonders in katastrophalen Zeiten ist es wichtig, miteinander nachzudenken. Das ist unser Auftrag in diesem hochdramatischen historischen Moment: aufrichtig über die komplexen und schwierigen Streitfragen nachzudenken und Dialog zu ermöglichen.

Nur durch persönlichen Einsatz können wir den Schmerz auch der anderen Seite anerkennen und sowohl in unserem eigenen Umfeld als auch über die nationalen Linien in Verbindung bleiben. In einer Atmosphäre extremer Hetze und Entmenschlichung, in der „Andere“ ausschließlich als Feinde gesehen werden, erziehen wir dazu, die „Anderen“ als Menschen wahrzunehmen.

Zwar sind wir vielleicht nur ein Tropfen im aufgewühlten Meer, doch wir arbeiten weiter an einer egalitären, gerechten und demokratischen Gesellschaft, indem wir die Werkzeuge einsetzen, die wir über viele Jahre entwickelt haben. Wir verlassen uns dabei auf das schwer erarbeitete Vertrauen, das zwischen der School for Peace und ihren Kursabsolvent:innen gewachsen ist.

Seit Kriegsbeginn haben wir bereits verschiedenes unternommen*:
• … mehrere Dialog-Treffen für unsere bi-nationalen Gruppen;
• … mehrere Dialogtreffen der Dorfgemeinschaft von Neve Shalom ∙ Wahat al-Salam und des Kollegiums der NSh∙WaS-Grundschule. Es ging um den Krieg und seine Auswirkungen auf den Alltag von Menschen in einem national gemischten Umfeld.
• … ein neues Dialog-Projekt mit Palästinenser:innen und jüdischen Israelis, die in Europa leben (Beginn: Tag 2 des Krieges)
• … Beratungsgespräche mit mehreren Hochschulen und Gesundheitseinrichtungen mit gemischtem Personal und gemischten Zielgruppen;
• … Interviews in internationalen Medien.
• … Zusammenarbeit mit anderen israelischen Menschenrechtsorganisationen; gemeinsame Aufrufe zum Schutz für Zivilisten, die von Gewalt bedroht sind.

Die School for Peace will durch Bildungsangebote zum Frieden in der Region beitragen – auch in der jetzigen dunklen Zeit. Wir wissen nicht, wie sich die jetzigen Ereignisse auf unsere Gesellschaften auswirken werden, doch wir haben unsere Finger am Puls des Geschehens und evaluieren ständig die Wirkungen auf die jüdisch-palästinensischen Beziehungen, um unsere Strategien den neuen Erfordernissen anzupassen und unsere Kursabsolvent:innen bestmöglich zu unterstützen.

Die School for Peace will durch Bildungsangebote zum Frieden in der Region beitragen – auch in der jetzigen dunklen Zeit. Wir wissen nicht, wie sich die jetzigen Ereignisse auf unsere Gesellschaften auswirken werden, doch wir haben unsere Finger am Puls des Geschehens und evaluieren ständig die Wirkungen auf die jüdisch-palästinensischen Beziehungen, um unsere Strategien den neuen Erfordernissen anzupassen und unsere Kursabsolvent:innen bestmöglich zu unterstützen.

Ein Teilnehmer eines unserer derzeit laufenden Kurse erzählte, sein 13-jähriger Sohn habe ihm viele Fragen zur Lage in Gaza gestellt und sich große Sorgen um die Kinder dort gemacht. Sein Vater schlug ihm vor, an die Kinder von Gaza einen Brief zu schreiben und das tat er. Dies ist der Brief:

„Liebe Leute in Gaza, wahrscheinlich werde ich niemals verstehen, wie sehr Ihr leiden müsst. Ich wünschte, Ihr – und auch sonst niemand auf der Welt – müsste so leiden. Aus dem Tiefsten meines Herzens wünsche ich Euch wirklich nur das Beste. Ich wäre sehr, sehr glücklich, wenn ich eines Tages wüsste – wenn das möglich ist – dass Ihr glücklich seid und gut leben könnt. Ich glaube fest daran, dass dieser Konflikt einmal endet und wir in Frieden und ohne Vorurteile und Hass leben können. Ich wünschte, allen Menschen auf der Welt ginge es richtig gut. Mit Liebe und dem tiefen Verstehen, dass auch Ihr nur Gutes verdient,
Euer …“


Danke, dass Ihr bis zu Ende gelesen habt.
Ihr könnt mich gern kontaktieren, wenn Ihr Fragen habt oder etwas sagen möchtet.
Passt gut auf Euch auf,

Dr. Roi Silberberg, Direktor der School for Peace | http://www.sfpeace.org
© Übersetzung: Ulla Philipps-Heck, 28.10.2023 (Beispiele wurden stichwortartig gekürzt
Kontakt: Freunde von Neve Shalom ∙ Wahat al-Salam e.V., Ricarda-Huch-Str. 13,
79211 Denzlingen, Tel. 07666 – 99109, Mail: freunde@wasns.de


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